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Berlin unter Wasser

aus: UnAufgefordert, Die Studentinnen- und Studentenzeitung der Humboldt-Universität zu Berlin, 16. Jahrgang, Februar 2005

Ska, eine Mischung aus R'n'B, Jazz und Gospel ist aus der Berliner Musikszene nicht mehr wegzudenken. Gleiches gilt für die Band "Tiefenrausch".

Ludi
Ludwig Westarp steckt in seiner Musik mit Stil und Spaß.
Foto: Christopf Schlüter

Wie viele lokale Bands gibt es, die anlässlich ihrer Record Release-Party die 3000 Personen fassende Columbiahalle füllen können? All zu viele dürften es nicht sein. Und welcher Berliner Ska-Band gelingt es, ein Konzert im SO36 in Kreuzberg auszuverkaufen und dadurch ein paar Hundert Verbliebene vor der Tür stehen zu lassen, die dann so stark randalieren, dass die ganze Straße gesperrt werden muss? Okay, geplant war letzteres so nicht, damals im Februar 2004. Trotzdem klingt ungläubiger Stolz mit, wenn Ludwig Westarp, Sänger der Gruppe Tiefenrausch, Konzerterlebnisse wie diese aus dem vergangenen Jahr schildert. Für das Gespräch im Redaktionsbüro der UnAufgefordert hat der 26-Jährige, der neben dem Musikmachen Germanistik, Philosophie und Musikwissenschaft an der Humboldt-Uni studiert, seine Ska-Montur -- Hut und Jackett -- mitgebracht. Das Jackett ist ein modisches Unikat, von der Freundin liebevoll mit bunten Pailletten, Perlen und Stoff benäht. Zunächst kommen wir auf das zweite Album "Heut' ist alles so perfekt" von Tiefenrausch zu sprechen, dessen Erscheinen Ende Oktober im bereits erwähnten großen Rahmen gefeiert wurde. Er findet, die Platte schaffe es, die Live-Energie der Gruppe zu transportieren - "gerade bei Ska immer ein Problem." Logisch, schließlich weiß jeder: Ska-Musik ist vor allem auf der Bühne zu Hause.

Die einstige Berliner Schülerband Tiefenrausch trat dementsprechend auch bereits zwei Monate nach ihrer Gründung 1997 zum ersten Mal live auf. "Wir hatten eigentlich gar nicht vor, eine Ska-Band zu sein", gibt er zu Protokoll. "Ich fand zwar Konzerte von Bands wie Mother's Pride oder den Butlers toll, aber die Begeisterung für Musik kam bei mir eher durch Gruppen wie Ton Steine Scherben. Es war Zufall, dass die Gitarre auf unseren ersten Liedern häufig Off-Beats spielte." Das Publikum tanzte zu den Off-Beats, und so wurden Tiefenrausch bald heimisch in der Ska-Schublade. Auch zahlenmäßig passte sich die ursprünglich sechsköpfige Bandbesetzung den Standards einer klassischen Ska-Formation an und ist inzwischen auf neun Leute angewachsen. Der Altersdurchschnitt liegt bei Mitte 20 -- der Älteste ist 37, der Jüngste 17 und noch Schüler. Von den Mitgliedern der Ur-Besetzung sind über die Jahre allein Sänger und Schlagzeuger übriggeblieben. Vor allem die vierköpfige Bläsersektion hat bereits einige Wechsel mitgemacht. Einer etwa konvertierte zum Islam und ging nach Damaskus. Im Gegenzug stießen Musiker aus anderen Länder, etwa aus den USA und Argentinien, dazu.

Politik und Party Trotz gestiegener Internationalität bleiben Tiefenrausch fest mit der Stadt Berlin verwurzelt. Davon kündet schon das Cover-Design der neuen CD. Bandname und Heimatstadt werden hier visuell zu einer Einheit verschmolzen: die Spitze des Fernsehturmes ragt aus einem Meer heraus, in der grünblauen Tiefe darunter ziehen Fischschwärme um das Rote Rathaus und den Dom. Berlin unter Wasser. Und dazu ein Albumtitel wie "Heut' ist alles so perfekt"? "Da ist natürlich ein Teil Ironie dabei", gibt der Tiefenrausch-Sänger zu und verweist auf das Stück "Das Kapital", dem die Titelzeile entstammt und das sich mit den Problemen junger, aber auch älterer Menschen befasst, heutzutage auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Nach Ernst kommt Spaß -- das nächste Lied auf der CD entpuppt sich als Lobpreisung auf des Berliners liebstes Fast Food: "Ein Döner, ein Döner/Macht das Leben schöner". Diverse Auftritte bei linken Demos und Soli-Partys gehören zweifellos zur Live-Sozialisation von Tiefenrausch. Für Ludwig ist die Ska-Musik von solchen Veranstaltungen nicht wegzudenken. Neben der Verbundenheit seiner Band zur linksalternativen Hauptstadtkultur, ist da auch die zur lokalen Ska-Szene - eine der größten weltweit, wie Ludwig zu berichten weiß. Selber hat er sich um diese verdient gemacht, als er 2004 auf seinem eigenen Label Skarorecords den Sampler "Haupstadt-Ska" veröffentlichte. Auf Skarorecords erschien nun auch das aktuelle Tiefenrausch-Album, das dank des Ost-Berliner Vertriebes Buschfunk bundesweit in den Handel gekommen ist. Um auch live im Rest Deutschlands Fuß zu fassen, soll es nun im Sommer eine Tour geben. Das Magister-Studium an der HU wird solange wieder zurück stecken müssen. Doch schließlich muss man Prioritäten setzen. Nach Höhepunkten der bisherigen Tiefenrausch-Laufbahn gefragt, erzählt Ludwig begeistert von einem gemeinsamen Konzert mit ehemaligen Mitgliedern von Ton Steine Scherben am Wochenende zuvor. Mit einstigen Idolen einmal eine Bühne zu teilen - dafür lohnt es sich sicherlich, gelegentlich das ein oder andere Seminar sausen zu lassen.

Nina Töllner


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